Vom Labor ins Klassenzimmer

Phontasia: Auswertung von Kindertexten

Wie wissenschaftliche Textauswertungen das Lesenlernen revolutionieren

Liebe Leserinnen und Leser,

wie ihr wisst, bin ich mit Leib und Seele Sprachforscherin und beschäftige mich seit Jahren mit der Analyse von Kindertexten. Mein Ziel? Die Entwicklung von Lehrmaterialien, die das Lesenlernen für Kinder erleichtern. Materialen wie Phontasia. In diesem Blogbeitrag möchte ich euch einen Einblick in meine Arbeit geben und erklären, wie wissenschaftliche Textauswertungen zur Entwicklung von effektiven Lernmaterialien beitragen können.

Der Ausgangspunkt: Warum Textauswertungen?

Die Sprachentwicklung von Kindern ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird. Um effektive Lehrmaterialien zu entwickeln, ist es wichtig, ein tiefes Verständnis für die Sprachmuster und -strukturen zu haben, die Kinder in verschiedenen Entwicklungsstadien verwenden. Genau hier kommen wissenschaftliche Textauswertungen ins Spiel.

Kernaspekte der Auswertung:

  • Wortschatz
  • Textlänge
  • Wortmuster
  • Häufigkeit von Wörtern

Die Methode: Datenbank und Analyse

Für meine Forschung habe ich Zugriff auf eine umfangreiche Datenbank mit Texten von Kindern verschiedener Altersgruppen und Lernstufen. Diese Texte werden dann anhand verschiedener Kriterien analysiert und ausgewertet.

Die Anwendung: Entwicklung von Lehrtexten

Nach der Auswertung der Daten beginnt die spannende Phase der Materialentwicklung. Basierend auf den Erkenntnissen werden aus typischen Wörtern und Wortstrukturen Wortschatzgruppen für verschiedene Lernlevel festgelegt. Diese dienen als Grundlage für die Entwicklung unserer Phontasia-Selbstlese-Texte, die speziell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder zugeschnitten sind.

Hier zeige ich das Ergebnis anhand dreier Texte aus verschiedenen Leveln des Spiels:

Beispiele aus der Praxis

Level 1, Geschichte 2: „Die Riesen mit den Kieseln“ zum Einüben des langen gesprochenen „i“

  • Wortschatz: 71 verschiedene Wörter
  • Textlänge: 344 Wörter
  • Häufige Nomen: Wiese (24), Riesen (17), Tiere (8)
  • Häufige Verben: sehen (12), fliegen (7), jagen (6)
  • Hochfrequente Wörter: 59%

Vorherrschend werden Wörter verwendet, die das gleiche orthographische Muster aufweisen: zweilsibige Wörter mit langem Vokal. Durch häufiges Üben werden diese Muster generalisiert, d. h. das Kind kann die Muster leichter übertragen. Wer „Wiese“ schreiben kann, darf auch in „Riese“ keine Fehler mehr machen.

Hochfrequente Wörter sind sehr häufig vorkommende Wörter wie zum Beispiel: wir, auf, die, der, das, und, oder, sie, uns usw.

Level 2: „Die Arktis“. Die gelernten Wortmuster werden gefestigt und Doppelkonsonanten kommen hinzu.

  • Wortschatz: 63 Wörter
  • Textlänge: 168 Wörter
  • Häufige Nomen: Robben (9), Wale (6), Tiere (5)
  • Häufige Verben: jagen (8), sehen (4), gibt (3)
  • Hochfrequente Wörter: 59%

Level 3: „Im tiefen Wasser“. Weitere Festigung der gelernten Wortstrukturen.

  • Wortschatz: 82 Wörter
  • Textlänge: 179 Wörter
  • Häufige Nomen: Fische (11), Kinder (5), Tiere (4)
  • Häufige Verben: sehen (8), gibt (3), wissen (3)

Der Schwierigkeitsgrad wird nur langsam gesteigert, weil die Wiederholung hier das „A“ und „O“ ist. Diese Muster müssen durch wiederholtes Üben im Gehirn verankert werden, bevor Ausnahmen hinzukommen. Vereinzelte Ausnahmen sind in jedem Level erlaubt, diese müssen sich allerdings auf ein Minimum beschränken.

Der Mehrwert: Individualisiertes Lernen

Die wissenschaftliche Herangehensweise ermöglicht es, individualisierte Lernmaterialien zu schaffen. Kinder können so mit Texten arbeiten, die genau auf ihre aktuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse abgestimmt sind. Dies steigert nicht nur die Motivation, sondern auch die Effizienz des Lernprozesses. Das nächste Level wird erst in Angriff genommen, wenn das vorherige gut beherrscht wird. So wird Überforderung effizient vermieden.

Fazit: Ein Paradigmenwechsel in der Leseförderung

Die wissenschaftliche Auswertung von Kindertexten und die darauf basierende Entwicklung von Lehrmaterialien stellen einen Paradigmenwechsel in der Leseförderung dar. Durch die Verbindung von Forschung und Praxis können wir den Lernprozess für Kinder erheblich verbessern und ihnen den Einstieg in die Welt der Sprache erleichtern.

Ich hoffe, dieser Einblick in meine Arbeit hat euch fasziniert und vielleicht auch ein wenig inspiriert. Denn letztendlich geht es darum, unseren Kindern die bestmöglichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn zu bieten.